Wie aus Düngung Pflanzenernährung wird –
Ganzheitliche Düngung spart Rohstoffe
Auf dem Düngemittelmarkt herrscht eine noch nie dagewesene Situation: Die Preise steigen immer weiter, bei Stickstoffdünger sind Steigerungen von 300 % keine Ausnahme mehr. Aufgrund hoher Energiekosten drosseln gleichzeitig erste Produzenten ihre Herstellung. Spätestens mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist eine Deeskalation auf dem Düngemittelmarkt – an dem Großproduzent Russland maßgeblich hätte mitwirken müssen – in weite Ferne gerückt. Neben Stickstoffdüngern sind auch Phosphat und Kali betroffen. Zusätzlich zu den Preissprüngen verschärfen Lieferengpässe bei Rohstoffen und angespannte Handels- und Lieferketten die Lage weiter.
Die Folge: Das Thema „Düngung“ verunsichert Landwirte landauf-landab. Denn die Entwicklungen der letzten Zeit – beginnend mit der Ausweisung von roten bzw. gelben Gebieten durch die Gesetzgebung, über die akute Preisexplosion aufgrund erhöhter Rohstoff- und Energiepreise, weiter angetrieben durch den Krieg in der Ukraine, bis hin zu Auswirkungen des Klimawandels – sie alle hinterlassen einen zutiefst verunsicherten Berufsstand. Alte Gewissheiten zerbröseln wie ausgedörrter Ackerboden in der Sonne, der schwindende Nährstoff-Lagervorrat – sofern überhaupt noch vorhanden – wird sorgsam auf die bedürftigen Flächen und Kulturen verteilt. Ertragsrückgänge und Qualitätseinbußen werden vielerorts bereits als Folge der Nährstoffknappheit diskutiert.
Wirkungsgrade rauf
Immer schon forderten beunruhigende Änderungen zum Nachdenken auf, wie Anpassungen eventuell aus eigener Kraft möglich sind. Es besteht die berechtigte Befürchtung, dass die Energie- und Rohstoffpreise nie wieder auf das Niveau vergangener Jahre sinken werden. Außerdem ist von einer weiteren Beschränkung von Düngung und Pflanzenschutz durch die Politik auszugehen. Und nicht zuletzt macht auch der Klimawandel vor Deutschlands Grenzen nicht halt. Dennoch brauchen wir heute mehr denn je – angesichts der geopolitisch unsicheren Versorgungslage – eine gleichbleibend gute Versorgung der Bestände, um Erträge und Qualitäten zu halten. Was also tun?
Wer jetzt ungläubig die Augenbrauen hochzieht: Dieses Ziel ist viel weniger utopisch, als man im ersten Moment denken mag: Der Schlüssel liegt in der Steigerung der Wirkungsgrade. Sie liegen bei N-Dünger derzeit zwischen 50 und 60 %, bei Kali um die 40 % und bei P nur bei mageren 11 % (Williams 2016)! Es braucht nicht viel Fantasie, sich vorzustellen, welche Einsparpotenziale in ihrer deutlichen Erhöhung liegen.
Wir brauchen mehr Biologie!
Zum großen Teil liegt ein höherer Wirkungsgrad der Nährstoffausnutzung – neben effizienter Ausbringung und Vermeidung von Verlusten – im Bereich Bodenbiologie und Wurzelwachstum begründet. Unser ackerbauliches System muss sich künftig deutlich intensiver den Vorgängen unterhalb der Erdoberfläche zuwenden. Wie fördern wir nachhaltig die Bodenfruchtbarkeit und vermeiden Verdichtung und Erosion? Welche Rolle spielen dabei Fruchtfolgen, Zwischenfruchtanbau, Humusgehalt, Mykorrhiza, ein ausgeglichener Nährstoffhaushalt oder der Kohlenstoffkreislauf? Die Bodenfruchtbarkeit ist der ausschlaggebende Faktor für die Behebung beinahe aller Ernährungsprobleme unserer Kulturpflanzen.
Pflanzenverfügbarer Schwefel muss vorhanden sein
Doch selbst wenn die theoretischen Erkenntnisse über den gesunden Boden bekannt sind – leicht und schnell umzusetzen sind sie deshalb noch lange nicht. Dazu kommt: In absehbarer Zeit könnte ein weiteres Problem die begrenzte N-Verfügbarkeit verschärfen – der Schwefelmangel. Heute gelangen aus der Luft kaum noch 10 kg/ha jährlich auf die Felder, weswegen in allen Feldkulturen ein Düngebedarf festzustellen ist. Nun ist zu befürchten, dass die gedrosselte Leistung in Teilen der chemischen Industrie künftig eine verringerte Schwefelbereitstellung zur Folge hat. Würde daraus eine Preissteigerung oder geringere Verfügbarkeit mit anschließend geringerer Düngung folgen, wäre das fatal, denn die Rolle des Schwefels im pflanzlichen Stoffwechsel ist groß. Er ist für die ungestörte Stickstoffaufnahme in der Pflanze verantwortlich. Andersherum: Fehlt Schwefel, kann der verfügbare Stickstoff nicht vollständig ausgenutzt werden. Pflanzen sind dringend darauf angewiesen, im Boden eine ausgewogene Balance zwischen N und S vorzufinden, um den Stickstoff effizient in Ertrag und Qualität umsetzen zu können.
Innovationen aus Technik und Züchtung
Zahlreiche technologische Innovationen der letzten Jahre helfen bei der Erhöhung des N-Wirkungsgrades. Zum Beispiel die Digitalisierung: Karten auf Basis vorher oder während der Überfahrt erhobener Daten erlauben die präzise Ausbringung jedes Nährstoffkorns nach Bedarf des Bestandes.
Auch die Landtechnik wartet mit Entwicklungen zur effizienten und sparsamen Nährstoffausbringung auf. Jüngstes Beispiel ist vielleicht die Rauch DeePot 25.1, eine Technologie zur Tiefeninjektion, vorerst in Mais und Gemüse. Die luftdichte, bis zu 25 cm tiefe Ablage von Ammoniumdüngern ist umweltfreundlich, vermeidet NS-Verluste und kann laut Hersteller bei einer um 20 % reduzierten Düngung dennoch einen Mehrertrag generieren.
Einen deutlich größeren Einfluss auf das Düngeregime könnte und sollte künftig die Sortenwahl haben, zumindest im Getreidebereich. Hier liegen auch Aufgaben für Beratung und Züchtung, über die spezifischen Bedürfnisse der einzelnen Sorten aufzuklären. Im Winterweizen empfiehlt sich dringend, als Berechnungsgrundlage für die N-Düngermenge die Aussaatstärke hinzuzuziehen, außerdem die aktuelle Bestandsdichte und nicht zuletzt die Sorte bzw. deren Wuchstyp.
Dem Wetter die dritte Gabe überlassen
Schließlich ist auch die Möglichkeit, mit der Düngung flexibel auf unsichere Witterungsverhältnisse reagieren zu können, in Sachen Wirkungsgrad von nicht unerheblicher Bedeutung. Denn: Wird die gesamte Stickstoffmenge in stabilisierter Form früh appliziert, ist eine spätere Anpassung nicht mehr möglich. Damit könnte eine Teilmenge erst verabreicht werden, wenn deren vollständige Aufnahme und Ausnutzung durch vitale Bestände gesichert ist. So zeigen Versuche vor allem auf zu Vorsommertrockenheit neigenden Flächen, dass neben einer angepassten Saatstärke eine witterungsangepasste Spätgabe mit höherem Ammoniumanteil zu höheren Erträgen führt.
Düngung ist heutzutage mehr als nur die Ausbringung von Nährstoffen auf das aktuelle Fruchtfolgeglied. Es ist eine langfristige Aufgabe, in die die Sicherstellung optimaler Bodengesundheit und Nährstoffverhältnisse ebenso hineinspielt wie die Nutzung moderner technischer und digitaler Hilfsmittel, die Verwendung geeigneter Sorten unter Anbetracht der gesetzlichen Vorgaben und – ebenso wichtig – die maximale Flexibilität bei der Qualitätsgabe.